
Vor rund einem Jahr, am 18 Juni 2019, unterschrieb US-Präsident Donald Trump eine Exekutivanweisung zur Schaffung der US-Space Force, der Weltraum-Streitkräfte. Das Time Magazine bemerkte dazu einen Tag später, dass es bereits eine von einem Präsidenten autorisierte Space Force gibt, nämlich die von Ronald Reagan am 1. September 1982 aktivierte Air Force Space Command. Diese sei eine Division der Luftwaffe und mit mehr als 36.000 Soldaten an 134 Standorten weltweit eine ziemlich große Organisation. Die Arbeit dieses Weltraumkommandos umfasst Erdbeobachtung, Wettervorhersage, Kommunikation, Befehl und Kontrolle über bodengestützten Waffen und Satellitensicherheit – mit einem jährlichen Budget von 8,5 Milliarden Dollar für die Anschaffung und Entwicklung neuer Systeme. Der Time-Autor Jeffrey Kluger stellte dann die offensichtliche Frage: „Was würde man also davon haben, wenn man es in eine Space Force ausgliedern würden, die eine völlig separate Kommandostruktur, einen Stabschef und Bürokratie erfordern würde, was ihr Budget exponentiell erhöhen würde? Die Antwort lautet: nicht viel.“ Bekommt das US-Militär eventuell einfach nur einen weiteren Verwaltungsapparat? Oder geht es jetzt tatsächlich in Richtung ‚Krieg der Sterne‘?
Weltraumbewaffnung gegen UN-Vertrag
Die militärische Raumfahrttechnologie, so Kluger weiter, sei nicht annähernd so weit fortgeschritten wie die Luftfahrt. Es gäbe keine Hardware, „damit Solopiloten heroische Luftkämpfe in einer niedrigen Erdumlaufbahn fliegen können.“ Reagan habe mit der Strategic Defense Initiative (SDI) von 1983 bis 1993 über 30 Milliarden Dollar ausgegeben, aber keine wirklichen Durchbrüche in der Anwendung von Röntgenlasern, subatomaren Teilchenstrahlen und elektromagnetischen Railguns zu verzeichnen gehabt. Das ist die eine Sache. Viel gewichtiger als das technische Argument ist aber die Tatsache, dass die Bewaffnung des Weltraums gegen den Geist eines Vertrags der Vereinten Nationen, genauer gesagt des Office of Outer Space Affairs (UNOOSA) in Wien, verstößt. Es gibt nämlich einen am 19. Dezember 1966 von der UN-Vollversammlung verabschiedeten Vertrag, eine Art „Weltraum-Grundgesetz“. Dieses legt fest, dass der Weltraum nicht nationalen Interessen, sondern den Interessen der gesamten Menschheit dienen solle, dass jede Nation, unabhängig von seinem Entwicklungsgrad, Zugang zum Weltraum erhalten muss, und dass keinerlei Atomwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen in der Erdumlaufbahn oder auf anderen Himmelskörpern stationiert werden dürfen. Mit der Schaffung einer Weltraumstreitmacht könnte zumindest eine schiefe Bahn betreten werden, die letztlich auch zur atomaren Bewaffnung des Weltraums führen könnte – eine erschreckende Vorstellung, die man sonst nur aus Science Fiction Romanen kennt.
Rhetorik gegen China und Russland
Der oberste Offizier in der neu gegründeten Kommandostruktur dieses sechsten Zweiges des amerikanischen Streitkräfte, der Chef des sogenannten Space Command, General John Raymond, erklärte bereits den Weltraum zu einer „Domäne des Kriegs“, so wie Land, Luft, See und Cyberspace auch. Der Gegner sei, wie nicht anders zu erwarten, Russland und China. Nahezu unbeachtet von der deutschen Presse, veröffentlichte das amerikanische Verteidigungsministerium nun am 17. Juni dieses Jahres eine neue „Weltraumstrategie“, in der es von Kriegsrhetorik nur so wimmelt. In einer dazu veröffentlichten Pressemitteilung des Pentagon heißt es, man wolle „Stärke im Weltraum“ demonstrieren. Das Ziel sei, „in einem komplexen Sicherheitsumfeld, das durch einen Wettbewerb der Großmächte gekennzeichnet ist, konkurrieren, abschrecken und gewinnen zu können.“ US-Verteidigungsminister Mark Esper erklärte: „Die Weltraum-Militärstrategie ist der nächste Schritt, um die Überlegenheit im Weltraum sicherzustellen und die Kerninteressen unseres Landes im Weltraum jetzt und in Zukunft zu sichern.“ Amerikas „Gegner“ hätten „den Weltraum jedoch zu einem Kriegsschauplatz gemacht, und wir müssen umfassende Änderungen der Politik, der Strategien, der Operationen, der Investitionen, der Fähigkeiten und des Fachwissens für dieses neue strategische Umfeld umsetzen.“ Der öffentlich gemachte Teil dieser Defense Space Strategy spricht unmissverständlich davon, dass China und Russland „die größte strategische Bedrohung“ darstellten. Deshalb unternehme das US-Verteidigungsministerium „die wichtigste historische Transformation in der Geschichte des US-Weltraumprogramms zur Nationalen Sicherheit.“
Experte Kozin: US will Weltraummonopol
Wladimir Kozin, ein assoziiertes Mitglied der Russischen Akademie der Militärwissenschaften, kommentierte diese Entwicklung am 23. Juni folgendermaßen: „Obwohl der Weltraum nach internationalem Recht der gesamten Menschheit gehört und ausschließlich für friedliche Zwecke genutzt werden sollte, ist es merkwürdig, dass die fraglichen Dokumente Aussagen enthalten wie: ‚Mehr als jede andere Nation sind die Vereinigten Staaten auf weltraumgestützte Fähigkeiten angewiesen, um Macht im globalen Maßstab zu projizieren und einzusetzen‘. Washingtons Anspruch auf ein Weltraummonopol ist für alle erkennbar, selbst wenn es die Interessen seiner NATO-Verbündeten ignoriert, obwohl es erklärtermaßen bereit ist, in diesem Bereich mit ihnen zu interagieren.“ Und weiter: „Die Aussage der amerikanischen Weltraumstrategie, dass Moskau und Peking eine Art Militärdoktrin haben, die die Anwendung von militärischer Gewalt im Weltraum beinhaltet, ist eine Verzerrung der Realität. Es gibt dort keine diesbezüglichen Bestimmungen. Im Gegenteil, die Russische Föderation und die Volksrepublik China sind seit langem Mitbefürworter eines internationalen Vertragsentwurfs zur Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum, vor dem die Vereinigten Staaten nicht nur zurückschrecken, sondern der auch alle möglichen künstlichen Hindernisse für seine Annahme schafft.“
US beginnt Weltraum-Wettrüsten
Das russische Außenministerium gab am 19. Juni eine Erklärung ab, in der es die Bereitschaft Moskaus zum Ausdruck brachte, Probleme der Aktivitäten im Weltraum im Rahmen des bestehenden russisch-amerikanischen Dialogabkommens zu erörtern. „Wir sehen die Möglichkeit, die gegenseitigen Bedenken im Rahmen eines umfassenden sinnvollen russisch-amerikanischen Dialogs über ein breites Spektrum von Fragen der Sicherheit von Weltraumaktivitäten auszuräumen. Eine Vereinbarung zur Organisation eines solchen Dialogs wurde am 16. Januar getroffen“, sagte das Ministerium laut Nachrichtenagentur TASS. Das Ministerium erklärte jedoch auch, dass die neue US-Weltraumstrategie „den aggressiven Kurs Washingtons im Weltraumsektor offenbart. […] Um diesen destruktiven Kurs zu rechtfertigen, der ein Wettrüsten im Weltraum anstachelt und die Situation im Bereich der internationalen Sicherheit destabilisiert, benutzt Washington seine Routinetaktik, andere zu beschuldigen. Unsere amerikanischen Partner sprechen über die angebliche strategische Bedrohung durch Russland und China im Weltraum und machen sich nie die Mühe, irgendwelche Beweise zu liefern.
Waffen im Weltraum inakzeptabel
Dieses Thema wurde auch von einer russisch-französischen parlamentarischen Kommission unter dem Vorsitz von Senator Konstantin Kosachev für die Russen und Senator Christian Cambon, der den Vorsitz der französischen Senatskommission führt, erörtert. „Die Frage der Militarisierung des Weltraums ist äußerst wichtig. Wenn wir unsere Anstrengungen jetzt nicht bündeln, könnte irgendwann ein Wettrüsten im Weltraum ausbrechen, das schwer zu stoppen wäre […]“, sagte Kosatschew. Er deutete zudem an, dass sowohl Großbritannien als auch Frankreich der Führung der USA bei der Militarisierung des Weltraums folgten. „Ich sage nicht, dass Sie irgendeine Art von Waffen im Weltraum platzieren, aber auf jeden Fall gibt es keine Bereitschaft, rechtsverbindliche Dokumente über die Verhinderung der Militarisierung des Weltraums auf der Ebene des UN-Sicherheitsrates und der UN-Generalversammlung zu diskutieren, wie es sowohl von Russland als auch von China ständig vorgeschlagen wird. Senator Cambon betonte, dass Frankreich in der Frage der Entmilitarisierung des Weltraums immer auf der Seite Russlands sein würde. Es sei „völlig inakzeptabel, militärische Waffen im Weltraum zu platzieren.“
Trotz der reißerischen Rhetorik des Pentagon-Strategiepapiers und des zuständigen Staatssekretärs Stephen Kitay, der gerne Schreckensszenarien über die Zerstörung des amerikanischen Kommunikationssystems durch gegnerische Weltraumwaffen heraufbeschwört, zweifeln einige Kommentatoren die Effektivität der neuen Struktur an. Das US-Space Command ist mittlerweile die 11. Kommandostruktur, bestehend aus weniger als 300 Personen, die überwiegend aus dem Strategic Command ausgelagert worden sind. Die Tatsache, dass man sich stärker mit Geheimdiensten vernetzen und die Integration von alliierten Partnern weltweit vorantreiben will, wird der Übersichtlichkeit ebenfalls kaum zuträglich sein. Mit einem nahezu winzigen Budget von 83,8 Millionen USD, wovon 75,6 Millionen von StratCom übernommen werden, soll die Kooperation mit Five-Eyes Partnern, Frankreich, Deutschland und Japan für gemeinsame Übungen und Kriegsspiele finanziert werden – nicht gerade eine überquellende Kriegskasse.