Alexej Grom: Experte für den Eurasischen Güterverkehr (Teil 2)

Alexej Grom bei einer Präsentation im November 2019 in Sassnitz (Rügen). Bild: Stephan Ossenkopp

Zur Person: Alexej Grom ist ein russischer Manager. Er schloss 1993 sein Studium an der Russischen Universität für Verkehrswesen (MIIT) ab, und hielt anschließend diverse Vorstandsposten in Logistik- und Eisenbahnunternehmen. Seit 2016 ist Grom Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Transport- und Logistikgesellschaft – Eurasian Rail Alliance (UTLC ERA).

Teil 2: Entwicklung des Eurasischen Gütertransports von China nach Deutschland

Wenn man die Entwicklung mit Khorgos in Kasachstan sieht, aber auch den Great Stone Park in Belarus, dann wird klar, dass es nicht nur ein Transitkorridor zwischen bereits entwickelten Regionen in China und Europa ist, sondern ein Entwicklungskorridor und ein Investmentprojekt. Inwieweit hat dies Auswirkungen auf Ihr Unternehmen oder Ihre Sicht auf die Neue Seidenstraße?

Great Stone ist noch nicht fertiggestellt. Es gibt dort schon eine Reihe von chinesischen Lagerhäusern, und die Pläne dort entwickeln sich sehr schnell, aber es gibt noch keine Bahnanbindung. Wir sind involviert in die Gespräche darüber. Potenziell ist dies natürlich einer der großen Akteure bei dieser modernen Seidenstraße. Wir sind damit einverstanden, dass es besser für Eurasien im Allgemeinen ist, wenn es mehr Chancen gibt. Der Kunde wird nicht alles auf eine Karte setzen. Das Great Stone Projekt wird ein großer Fokus für chinesische Unternehmen sein, von denen einige bereits viel in dieses Projekt investiert haben. Ich glaube, dass dieses Projekt für Unternehmen und Investoren von UTLC von Interesse ist. Es gibt auch viele andere sich entwickelnde Projekte entlang dieser Route. Die russische Bahn hat zum Beispiel in den Trockenhafen von Kaliningrad eine beachtliche Summe investiert. Den Frachttransport, den wir von der Kaliningrader Region nach Europa organisiert haben, begann 2018. Die Russische Bahn als einer unserer Shareholder hat in dieses Projekt investiert. Es gibt auch Bemühungen, die Logistik an der Polnisch-Weißrussischen Grenze auf beiden Seiten zu verbessern. Der Containerterminal von Brest hat seine Kapazität 2019 nahezu um das Zweifache erhöht. Wir wissen, dass einige positive Dinge auf der polnischen Seite in Bewegung gekommen sind. Dort gibt es einige zumeist privat betriebene Terminals. Wir sehen ein wachsendes Interesse am Eurasischen Transit und für den Gütertransport auf der Bahn im Allgemeinen. Ich glaube, es entwickeln sich derzeit in mehreren Staaten entlang dieser neuen modernen Seidenstraße eine Reihe von Projekten. Ich als ein Eisenbahner bin sehr glücklich darüber, dass dies passiert.

Der Schienentransport ist eine gute Entscheidung für diejenigen, die das Frachtgut dreimal schneller in Brüssel, Berlin, Mukran oder Amsterdam ankommen sehen wollen als mit dem Containerschiff, und zehnmal günstiger als per Luftfracht. Die durchschnittliche Transportzeit per Schiene übertrifft nicht zwei Wochen. Wir haben die schnellste Fahrt gemacht von Xi’An in China nach Neuss in Deutschland. Die größten Hemmnisse gibt es bei der europäischen Infrastruktur. Wir haben es in zwölf Tagen geschafft, was ein ziemlich gutes Resultat ist. Wir haben längere Fahrtzeiten für unseren regelmäßigen Zug von Yiwu nach Madrid. Das ist mit über 13,000 km meines Wissens die längste Güterstrecke der Welt. Die Güter werden dreimal umgeladen, auch zwischen Spanien und Frankreich. Die Transitzeit beträgt um die 18 Tage. In unserem Portfolio haben wir auch die einzigartige Transportstrecke von London, unter dem Ärmelkanal, bis nach Yiwu an der chinesischen Ostküste, bei der acht Länder durchquert werden und die Fahrtzeit 19 Tage beträgt. Während meines Studiums an der Moskauer Universität für Verkehrswesen nannten wir diese Art von Transport noch „irrational“, weil die Fracht von einem großen Seehafen zu einem anderen großen Seehafen per Eisenbahn transportiert wurde. Wir dachten, daran ist etwas Grundlegendes falsch. Allerdings hat das moderne Leben diesen fundamentalen Leitsatz der Logistik umgestoßen. Wir sind sehr stolz über diese Leistungen und hoffen auf mehr Aufträge.

Wir haben mit dem Zug nach Mukran das erste Mal im multimodalen Güterverkehr von China nach Europa in der Praxis einen neuen internationalen Frachtbrief getestet. Man braucht nun vom Ausgangspunkt bis zum Ziel nur einen Frachtbrief. Das vereinfacht sämtliche Prozeduren des Transports, weil alle an ein einheitliches Rechtssystem gebunden sind. In der gesamten Supply Chain mag das ein kleines Detail sein, aber das hat eine große Bedeutung, vor allem auf der Kundenseite. Der Kunde muss nicht mehr diesen Aktenordner an Dokumenten mit sich führen, sondern nur noch ein A4-Blatt, um den Auftrag abzuwickeln. Viele Dinge wurden bei UTLC implementiert. In Zukunft werden wir auch Waren durch die Russische Föderation transportieren, die dort auf der Sanktionsliste stehen. Das ist ein Zeichen guten Willens von Russland an die europäischen Produzenten und die chinesischen Unternehmen, dass diesen Gütern erlaubt wird, russisches Territorium zu durchqueren. Der russische Präsident hat ein entsprechendes Dokument unterschrieben. Ich habe viele Unternehmen aus dem Landwirtschaftsbereich und dem Lebensmittelsektor in Italien getroffen, und es gibt ein sehr großes Interesse, die Chance zu nutzen, italienische Fleischwaren und Käsesorten nach China zu liefern. China steigt immer weiter auf in der Liste der führenden Länder, was die Nachfrage von Produkten aus dem Luxussegment anbetrifft. Viele Luxuswaren aus Deutschland, zum Beispiel aus der Automobilbranche, der Lebensmittelindustrie Frankreichs und Italiens usw. wird über diesen Korridor nach China verfrachtet. Es gibt drei Dinge, die uns in Eurasien besonders vereinen: die Eisenbahn, Fußball und ein guter Tropfen. Ich habe das neulich bei einem Treffen der Champagnerhersteller gesagt, und nun denken sie darüber nach, Champagner mit dem Zug nach China zu senden. Warum nicht? Es ist sicher, schnell, verlässlich und vom Preis her wettbewerbsfähig.

Können Sie etwas über die Zusammenarbeit zwischen UTLC mit dem Hafen Mukran sagen?

Mukran wurde in den Lehrbüchern an meiner Universität erwähnt. Ich erinnere mich, dass wir der kurzen Seeverbindung zwischen Klaipeda und Mukran eine Menge Aufmerksamkeit gewidmet haben, die in der Mitte der 1980er Jahre etabliert worden ist. Man hat das beste aus der damaligen Zeit wiederbelebt, was ein gutes Zeichen für Partnerschaft und Kooperation ist. Ehrlich gesagt haben wir alle Häfen dieses nördlichen teils Europas besucht, von Deutschland bis Holland. Wir haben allen die Zusammenarbeit bei der multimodalen Verbindung zwischen China und Europa angeboten. Wir haben 2018 mit Mukran begonnen. Damals hatten wir das erste Treffen in Shanghai mit Top-Managern vom Mukran Port. Damals haben wir sie unseren Partnern in China vorgestellt. Eine praktisch funktionierende Verbindung innerhalb eines Jahres umzusetzen, war eine besonders schwierige Aufgabe. Als wir uns im Sommer 2019 erneut trafen, hieß es, dass wir das Projekt noch im selben Jahre umsetzen wollen. Ich war erst nicht so optimistisch, da wir schon mit vielen verschiedenen Akteuren auf diesem Markt gesprochen hatten. Für mich war es auch eine Überraschung, dass wir den Vertrag dann in sehr kurzer Zeit unterzeichnet hatten. Die Fahrtzeit von 14 Tagen und der Preis sind attraktiv, und wir sind sehr zufrieden damit. Der kurze Seeweg zwischen Mukran und dem Hafen Baltijsk in der Nähe von Kaliningrad funktioniert sehr gut.

Autor: Stephan Ossenkopp

Freiberuflicher Redakteur und Politik-Experte, wohnhaft in Berlin.

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